„Das sind meine Wünsche an die Bundesregierung“

Rockenbergs Bürgermeisterin Olga Schneider im Klartext-Interview über die politische Lage aus Sicht der Kommunen: „Wer bestellt, bezahlt!“ Im ausführlichen Interview erläutert Schneider, wo sie Verbesserung-Potenzial sieht und was ihre Wünsche an die neue

Klartext-Interview zur politischen Lage aus Sicht der Kommunen: „Wer bestellt, bezahlt!“

 

Deutschlands Bürgerinnen und Bürger haben sich bei der Bundestagswahl 2025 im Februar für eine neue Regierung entschieden. Ergebnis: Eine schwarz-rote Koalition mit Friedrich Merz als neuem Bundeskanzler an der Spitze. Im ausführlichen Interview erläutert Rockenbergs Rathaus-Chefin wo sie Verbesserungs-Potential sieht und was ihre Wünsche an die Bundesregierung sind. Olga Schneider: „Das sind meine Wünsche an die neue Regierung…


im Bereich der Finanzen: Das absolute Hauptproblem liegt im Bereich der Finanzen. Viele Kommunen befinden sich deutschlandweit an der finanziellen Belastungsgrenze. Seit Jahren kämpfen die Kommunen mit hohen Kosten in den unterschiedlichsten Bereichen, zum Beispiel: Kinderbetreuung, bürokratische Hürden, Flüchtlingspolitik, Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen. Mit 90% Pflichtaufgaben bleibt uns als Kommunen kaum Handlungsspielraum. Das ist der Grund, warum viele Kommunen gezwungen sind die Kommunalsteuern zu erhöhen. Am Ende wird also die Bürgerschaft zur Kasse gebeten und das will keiner. Ich wünsche mir eine nachhaltige, transparente und respektvolle Finanzpolitik, die den Kommunen und den Landkreisen die nötigen Mittel bereitstellt, um ihre Pflichtaufgaben effektiv erfüllen zu können, ohne dass die Bürgerschaft zusätzlich belastet wird. Motto: „Wer bestellt, bezahlt!“

 

im Bereich der Pflichtaufgaben und freiwillige Leistungen: Was bedeutet „Pflichtaufgaben“ eigentlich für die Kommunen? Die Pflichtaufgaben der Kommunen sind vielfältig und bilden das Rückgrat der Daseinsvorsorge in unserer Gesellschaft. Sie umfassen mitunter die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen - zum Beispiel: die Organisation von Bildungseinrichtungen, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen und mehr. Viele Kommunen stehen aber vor der Herausforderung, dass die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern oft nicht ausreicht, um die „Pflichtaufgaben“ umzusetzen. Das führt dazu, dass die Kommunen unter Druck geraten. Die Sicherstellung einer angemessenen Finanzierung und die Schaffung klarer Rahmenbedingungen sind daher von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus gibt es sogenannte „freiwillige Leistungen“, diese sind vor allem für die Lebensqualität der jeweiligen Kommune vorgesehen. Heißt konkret: Förderung der Vereine oder auch Unterhaltung von Sporthallen. Problem: Wenn ein kommunaler Haushalt nicht ausgeglichen ist, oder droht in Zukunft nicht ausgeglichen zu sein, weil die Pflichtaufgaben zu viel Geld kosten, müssen entweder die Steuern erhöht werden, oder die genannten „freiwilligen Leistungen“ gestrichen werden. Das darf nicht sein. Die Lebensqualität darf darunter nicht leiden. Die Regierung muss sicherstellen, dass die Kommunen bei der Erfüllung ihrer „Pflichtaufgaben“ und „freiwilligen Leistungen“ angemessen unterstützt werden. Heißt: Ich wünsche mir, dass die finanzielle Verteilung von Steuern so weitergegeben werden, dass Kommunen in der Lage sind, die „Pflichtaufgaben“ und „freiwillige Leistungen“ ohne Einschränkungen zu erfüllen. Zur Info: Aktuell tragen die Kommunen laut dem Deutschen Städte und Gemeindebund etwa 25% der öffentlichen Ausgaben. Aber die Kommunen erhalten nur rund 14% der gesamten staatlichen Steuereinnahmen. Wir geben also 25% unserer Einnahmen ab und bekommen 14% zurück - und das bei steigenden Anforderungen!“

 

im Bereich der Flüchtlingspolitik: Als Bürgermeisterin, die 2022 die ersten geflüchteten Menschen aus der Ukraine empfangen hat, möchte ich meine Erwartungshaltung an die Bundesregierung in Bezug auf die Flüchtlingspolitik deutlich zum Ausdruck bringen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Flüchtlingspolitik so gestaltet wird, dass die Herausforderungen für die Kommunen und die Landkreise bewältigt werden können. Bedeutet: Die finanzielle Unterstützung von Seiten des Bundes und des Landes muss in der notwendigen Stärke fließen. Um Beispiele zu nennen: Es bedarf Wohnraum mit Ausstattung, Beratungs- und Betreuungsleistungen oder Kita- und Grundschulplätze. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, die Möglichkeit haben sich sofort in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Sie sollten schnell in der Lage sein sich in unsere Gemeinschaft einzugliedern. Konkret: Eine sofortige Integration in Arbeit und Alltag sollte ermöglicht werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Menschen das Leben und unsere Kultur kennenlernen und wir somit eine gute Gemeinschaft bilden. Ich appelliere deshalb an die Bundesregierung diese Punkte ernst zu nehmen und die notwendige Unterstützung zu bieten. Ich möchte an dieser Stelle an viele ehrenamtliche Mitbürger und Helfer meinen großen und herzlichen Dank aussprechen, denn ohne sie wäre die Aufgabe nicht zu bewältigen.“

 

im Bereich der Digitalisierung: Die Digitalisierung in der Verwaltung ist ein notwendiger Prozess, der von den Kommunen gefordert wird. Die Ansätze, die bereits kommuniziert und beschlossen wurden, sind richtig und wichtig. Aber es gibt einen entscheidenden Punkt, den ich mir von der Bundesregierung wünsche. Es reicht nicht, die Bedeutung dieser Ansätze zu betonen. Vielmehr wäre es entscheidend, gemeinsam einheitliche Vorgehensweisen für alle Kommunen zu entwickeln. Momentan sieht die Praxis so aus, dass jede Kommune sich selbst organisiert. Dies geschieht oft unter enormem Druck und mit unzureichenden personellen sowie finanziellen Ressourcen. Der Mangel an Unterstützung und eine fehlende gemeinsame Strategie führt zu individuellen Lösungen, die nicht nur ineffizient sind, sondern auch viel Geld kosten. Ich appelliere daher an die Bundesregierung einheitliche Standards zu entwickeln, die es jeder Kommune ermöglichen würden, die Digitalisierung effizienter und nachhaltiger voranzutreiben.“

 

im Bereich Natur und Umwelt: Der Schutz unserer Natur steht oft ganz oben auf der Tagesordnung. Konkrete Maßnahmen und nachhaltige Entwicklungen bleiben aber aus, weil auch hier die Kommunen auf sich allein gestellt sind. Verdeutlichen wir es auch an dieser Stelle mit einem Beispiel. Thema „Kommunale Wärmeplanung“! Auf der einen Seite bin ich froh, dass wir als kleine Kommune noch etwas Zeit haben uns mit der Wärmeplanung zu befassen. Auf der anderen Seite weiß ich aber, dass der Tag kommen wird, wo wir uns mit geeigneten Partnern und Nachbar-Kommunen zusammenschließen müssen. Allein können wir uns diesen Weg personell und finanziell nicht leisten. Ich erwarte von der neuen Regierung Entscheidungen, die ein einheitliches Vorgehen für die Kommunen vorgeben.“

 

im Bereich des Fachpersonals: Der Fachkräftemangel stellt seit langem ein enormes Problem dar. Viele wichtige Bereiche und Fachgebiete bleiben unbesetzt, was nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch die gesamte wirtschaftliche Stabilität gefährdet. Vor diesem Hintergrund halte ich es für dringend erforderlich neue Wege zu finden, um diesem Mangel entgegenzuwirken. Mein Vorschlag: Quereinsteigern die Möglichkeit geben in verschiedene Berufsbereiche ,,hineinzuschnuppern“. Hintergrund: Viele Menschen haben Fähigkeiten und Talente, die vielleicht in ganz anderen Bereichen zur Geltung kommen als in denen, in denen sie beispielsweise momentan tätig sind oder ausgebildet worden sind. Ein gut strukturierter, unbürokratischer Einstieg könnte dazu beitragen, diese Talente zu fördern und so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ich appelliere an die zuständigen Stellen, sowohl die Möglichkeiten für Quereinsteiger zu verbessern als auch eine nachhaltige finanzielle Planung sicherzustellen, um den Herausforderungen des Fachkräftemangels wirksam entgegenwirken zu können.“

 

im Bereich „Frieden, Kommunikation auf Augenhöhe und Fazit“: Es ist unerlässlich, dass die neue Regierung den Austausch mit den Kommunen fördert und verbessert. Die Umsetzung vor Ort ist entscheidend und die Kommunen dürfen nicht mit Ankündigungen abgespeist werden. Es ist essenziell, dass Aufgaben und Finanzierung im Einklang stehen. Diese prekäre Situation ist nicht länger hinnehmbar. Der Wetteraukreis - gemeinsam mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern - haben sich bereits im letzten Jahr in einem gemeinsamen Schreiben an Bund und Land positioniert und Forderungen dargelegt. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Vorgaben von Bund und Land so umgesetzt werden können, dass die finanzielle Last nicht auf den Kreisen und Kommunen liegenbleibt. Besonders wichtig ist es darauf hinzuweisen, dass Investitionspakete für die Infrastrukturen direkt bei den Kommunen ankommen müssen - und zwar ohne bürokratisch aufwändige Förderprogramme. Wir als Kommunen sind die Orte, an denen die Entscheidungen der Regierungen in der Realität umgesetzt werden - daher müssen sie entsprechend gewürdigt und unterstützt werden. In diesem Zusammenhang spielen Kommunikation auf Augenhöhe, Wertschätzung und ein respektvolles Miteinander eine ganz große Rolle. Wenn sich jeder von uns ein wenig daran erinnern würde, wäre die Welt ein friedlicherer Ort. Frieden entsteht durch das Verständnis füreinander und die Bereitschaft, gemeinsam Lösungen zu finden. Es ist sichtbar, dass bei vielen Punkten die Finanzen eine ganz große Rolle spielen. Es ist demnach nicht nachvollziehbar, dass während Diskussionen über Steuersenkungen auf Bundesebene, die Kommunen gleichzeitig ggf. mit der Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuern konfrontiert werden. Diese Situation zeigt, dass es an der Zeit ist, die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen den notwendigen Erfordernissen anzupassen. Ich gebe allen politischen Entscheidungsträgern mit, die Bedürfnisse der Kommunen ernst zu nehmen. Nur mit starken Kommunen können wir ein starkes und zukunftsfähiges Hessen und somit auch unser Land gestalten.“

 

Olga Schneider

Bürgermeisterin

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